Dieses Jahr feiert der Eisenbahnknoten Osnabrück gleich zwei Jubiläen. Vor 170 Jahren erhielt Osnabrück seinen ersten Eisenbahnanschluss und von 130 Jahren wurde der „Zentralbahnhof“, der heutige Hauptbahnhof der Stadt, in Betrieb genommen. In unserer dreiteiligen Serie „Die Osnabrücker Hauptbahnhöfe“ stellen wir die Bahnhöfe und die Entwicklung ihres jeweiligen Umfeldes vor. Unser besonderer Dank gilt Herrn Lothar Hülsmann für seine Anregungen zu diesen Artikeln und die freundliche Bereitstellung umfangreicher Materialien.
Das Beitragsbild zeigt den Hannoverschen Bahnhof zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Quelle: Deutsche Bundesbahn (1978), S. 111
Der ehemalige „Hannoversche Bahnhof“ heute

Am Wittekindsplatz 4 in Osnabrück, unmittelbar an der Bahnstrecke von Rheine nach Osnabrück, befindet sich, halb hinter hohen Bäumen versteckt, ein dreistöckiger Sandsteinbau, dessen Mitte ein hohes Portal dominiert. Links schließt sich ein zweistöckiger Flügel an, ebenfalls aus Sandstein mit einem modernen Aufbau, dessen Ende ein zweistöckiger Portalbau bildet. Rechts an das Hauptgebäude schließt sich ein moderner dreistöckiger Anbau an, der so gar nicht zu der Symmetrie des Bauwerks passen möchte und somit einen deutlichen Kontrast bildet. Unterstrichen wird diese Trennung noch durch den gläsernen Absatz, der Hauptgebäude und Anbau trennt. Dieser Teil des Gebäudes ersetzt den im zweiten Weltkrieg zerstörten östlichen Gebäudeflügel und wurde in seiner jetzigen Form in den Jahren 2014 und 2015 aufwändig saniert. In dem gesamten Komplex sind Büroräume verschiedener Dienstleistungsfirmen untergebracht, dass sich hier einst der erste Hauptbahnhof der Stadt Osnabrück befand, lässt sich nur noch schwer erahnen.
Die Planungen für eine neue Eisenbahnlinie beginnen
Mit der Eröffnung der ersten Bahnstrecke 1835 von Nürnberg nach Fürth begann das Eisenbahnzeitalter in Deutschland. Erst 20 Jahre später sollte auch die Stadt Osnabrück einen Anschluss an das Schienennetz erhalten. Im damaligen Königreich Hannover, zu dem auch die Stadt Osnabrück zählte, nahm im Oktober 1843 die erste Bahnstrecke (von Hannover nach Lehrte) den Betrieb auf. Die „Königliche Eisenbahndirektion Hannover“ war ein halbes Jahr zuvor im März 1843 gegründet worden. Von dort an wuchs das Streckennetz rasch an. Immer neue Strecken sollten die wichtigen Städte und Häfen mit der Landeshauptstadt verbinden und somit den wirtschaftlichen Aufschwung in das Königreich bringen. Die Anbindung der westlichen Landesteile sowie der Häfen in Leer und Emden sollte nach ersten Planungen vollständig über hannoversches Staatsgebiet verlaufen, womit Osnabrück nur über eine Stichstrecke angebunden worden wäre. In Osnabrück befasste sich der Handelsverein bereits ab 1844 mit einer Anbindung an das staatliche Eisenbahnnetz im Sinne einer durchgehenden Streckenverbindung und man rechnete hier sogar schon für das Jahr 1847 mit der Fertigstellung einer Bahnlinie von Osnabrück über Rheine und Bad Bentheim nach Oldenzaal in den Niederlanden.[1] Seitens der Stadt Osnabrück bevorzugte man eine Streckenführung ab Löhne über Bünde und Melle nach Osnabrück und von hier weiter über Bramsche und Fürstenau nach Lingen. Da sich ein kompletter Streckenneubau von Hannover bis Emden ausschließlich über hannoversches Gebiet als undurchführbar herausstellte, blieb nur die Variante übrig, über die im Jahr 1847 fertiggestellten Strecken von Hannover über Minden und ab hier die Strecke der privaten „Cölln-Mindener-Eisenbahngesellschaft“ bis Löhne mitzunutzen. Für den Abschnitt von Minden bis Löhne wurden zudem Nutzungsgebühren fällig. Die neue „Hannoversche Westbahn“ sollte somit in Löhne beginnen. Am 03. März 1846 schlossen Hannover und Preußen einen Staatsvertrag über den Bau der neuen Westbahnstrecke. Hier bestand Preußen auf eine Streckenführung über preußischen Staatsgebiet, was bedeutete, dass sich auch die Streckenführung ab Osnabrück über Fürstenau nach Lingen und dann weiter nach Emden zerschlug.[2] Im Gegensatz zu den Überlegungen in der Landeshauptstadt entsprach die nun im Staatsvertrag festgelegte Streckenführung der Westbahn von Löhne über Osnabrück und Ibbenbüren nach Rheine und von hier aus weiter über Lingen und Leer nach Emden den Osnabrücker Erwartungen. Das auch daher, weil der Osnabrücker Handel hoffte, mit dieser Streckenführung in naher Zukunft auch einen Gleisanschluss in die Niederlande zu erhalten.[3]

Auch über den konkreten Streckenverlauf innerhalb des Osnabrücker Stadtgebietes gab es unterschiedliche Vorstellungen. Befürwortete die Stadt Osnabrück, vertreten durch den Bürgermeister Carl Bertram Stüve, einen Streckenverlauf nördlich der Altstadt, um auf kurzem Wege die städtischen Kohlegruben am Piesberg an die neue Eisenbahnstrecke anzubinden, bevorzugte die von Herrn Lutcken geführte Landdrosterei den neuen Bahnhof am Johannistor zu errichten und die Bahnstrecke durch den Stadtteil Wüste und dann am Heger Holz entlangzuführen. Auch von Seiten der Landdrosterei wurden wirtschaftliche Gründe ins Feld geführt. So hatte die Stadt bereits für diesen ursprünglich von ihr angenommenen und von der hannoverschen Regierung in Aussicht gestellten Streckenverlauf Kanalisations- und Straßenbauarbeiten vorgenommen. Nachdem Stadt und Landdrostrei keine Übereinkunft erzielen konnten, trug der Osnabrücker Bürgermeister Carl Bertram Stüve beim Ministerium in Hannover noch einmal die Vorzugsvariante der Stadt vor. Hierauf entschied der zuständige Minister, „wenn auch die von der Stadt gewünschte Linie gewisse Nachteile hat, so sollen doch Bahnhof und Strecke nach den Wünschen der Bürger angelegt werden.“[4] Im Gegenzug für dieses „Entgegenkommen“ verpflichtete sich die Stadt Osnabrück dazu:
- den für Gleisanlagen und Bahnhof erforderlichen Grund kostenfrei zur Verfügung zu stellen, soweit es sich dabei um städtische Besitzungen handelte
- den Gleisanschluss von den Fördergruben am Piesberg zur Westbahn herzustellen
- und eine neue Straße vom neuen Bahnhof ins Stadtzentrum anzulegen[5]
(hierbei handelte es sich um die heutige Wittekindsstraße)
Der neue Bahnhof wurde somit weit „vor den Toren“ der alten Stadt Osnabrück errichtet und ein neuer Stadtteil begann sich vom Neumarkt hin zum heutigen Wittekindsplatz zu entwickeln. Sogar der Lauf der Hase musste für dieses Unterfangen zwischen Neuer Mühle und Herrenteichstor begradigt werden. Diese städtebauliche Entwicklung setzte jedoch erst ein, nachdem die Eisenbahn längst den Betrieb aufgenommen hatte und stellte die umfangreichste städtische Erweiterung seit dem Mittelalter dar. Für die Eisenbahnreisenden, die Osnabrück in den ersten Jahren erreichten, bot sich allerdings noch ein ländlicher und unbebauter Anblick. Die alten Stadtbefestigungen waren ebenfalls noch vorhanden und zeichneten sich am Ende der neu angelegten „Bahnhofstraße“ ab.[6]
Betriebseröffnung ohne Empfangsgebäude
Am 21. November 1855 schließlich begann mit der Eröffnung des Streckenabschnitts von Löhne nach Osnabrück das Eisenbahnzeitalter für die Hasestadt. Ein gutes halbes Jahr später, am 19./20. Juni 1856, wurde die Hannoversche Westbahn auf ihrer gesamten Länge von Löhne über Osnabrück und Rheine bis nach Emden in Betrieb genommen. Die Feierlichkeiten fanden in Emden statt. Ein Sonderzug mit den Ehrengästen startete am 19. Juni in der Landeshauptstadt Hannover und verkehrte über die neue Strecke in das ostfriesische Emden, wo der Zug am 20. Juni eintraf. Ein Zwischenstopp mit Übernachtung war in Osnabrück vorgesehen.[7]

Sammlung: L. Hülsmann
Vielleicht wird der eine oder andere Ehrengast sich ein wenig verwundert die Augen gerieben haben, als er den Sonderzug am Bahnhof Osnabrück verließ. Denn nicht nur die ländliche Umgebung des Bahnhofs mag komisch angemutet haben auch war mit dem Bau des Bahnhofsgebäudes noch nicht begonnen worden. Vielmehr diente ein Provisorium dem Empfang und der Verabschiedung der Reisenden.[8] Mit dem Bau des markanten und beeindruckenden Sandsteinbaus mit seinem mächtigen Portal begann man schließlich im Herbst 1856 und nach rund zwei Jahren Bauzeit im Oktober 1858 erfolgte endlich auch die „Eröffnung des Betriebes im Hauptgebäude“. Streitigkeiten zwischen Bahnverwaltung und Grundstückseigentümern zogen sich noch einige Jahre hin. Sie konnten schließlich aber auch bis Anfang der 1860er Jahre beigelegt werden.[9]
Das Stationsgebäude verfügte jeweils über einen Wartesaal für die 1. und 2. Klasse und einen für die 3. und 4. Klasse. Hinzu kam ein Nichtraucherzimmer sowie eine Waschtoilette. Zusätzlich waren hier auch Packräume für die königliche Post untergebracht. Hinzu kamen verschiedene Dienstwohnungen, u.a. für den Bahnhofsvorsteher.
Mussten die ersten Reisenden in Osnabrück in den ersten Jahren auch mit einem Provisorium vorliebnehmen, so waren doch die übrigen Bahnanlagen in Osnabrück rechtzeitig fertig geworden. Westlich des künftigen Bahnhofsgebäudes war ein Güterschuppen mit Verladerampe und einem Freiladegleis entstanden. Seine Betriebsaufnahme fand am 05. Dezember 1855 statt.[10] Zu be- und entladende Güterwagen wurden vom Hausbahnsteig per Muskelkraft in Richtung des Güterschuppens geschoben. Über eine kleine Drehscheibe erfolgte dann die Verteilung entweder auf ein Freiladegleis oder unmittelbar an die Verladerampe des Güterschuppens. Gegenüber des Güterschuppens war ein kleiner Lokomotivschuppen mit drei Gleisen entstanden, die von Osten nach Westen durch den Schuppen verliefen. Auf diese Weise konnten auch hinter dem Lokschuppen Maschinen abgestellt werden. Unmittelbar nördlich an den Lokschluppen schloss sich die Reparaturwerkstatt für Lokomotiven an. Über eine Schiebebühne erreichten die Loks die zehn Hallengleise oder eines der acht östlich der Werkstatt gelegenen Abstellgleise.
Da die Hannoverschen Lokomotiven mit Koks gefeuert wurden, entstand westlich des Lokschuppens eine bahneigene Kokerei, die den Brennstoff für die Loks herstellte. Der dafür benötigte Rohstoff (Kohle) wurde im Südkreis aus den Kohlefeldern bei Borgloh gewonnen und mit Pferdegespannen nach Osnabrück transportiert.
Zusätzlich zu dem Lokschuppen errichtete man auf der Stadtseite unmittelbar östlich des Empfangsgebäudes einen kleinen Wagenschuppen. Eine Schiebebühne übernahm auch hier die Verteilung der Wagen auf die drei Hallengleise. Für die Weichensteller gab es zwei Wärterbuden, eine direkt in der Mitte der Gleisanlagen und eine im östlichen Bahnhofskopf. Hinzu kam eine Bremserstube, die sich in etwa mittig dazwischen befand.
Ein Stück weiter östlich der Werkstatt entstand bis 1858 ein Gleisanschluss zur städtischen Gasanstalt, um diese mit Kohletransporten versorgen zu können. Auch hier wurden die Güterwagen zunächst über eine Drehscheibe auf die beiden parallel verlaufenden Gleise verteilt. Weitere Betriebe siedelten sich in der Folgezeit hier an.[11] Kurz vorher, 1857, war der erste und für die Stadt Osnabrück so wichtige Gleisanschluss zu den Kohlegruben am Piesberg fertiggestellt worden.[12]
Insgesamt war somit bis 1858 der Bau der Bahnanlagen in Osnabrück fürs erste abgeschlossen. Diese waren für die damalige Zeit umfangreich und auskömmlich dimensioniert, da sich Osnabrück auf halber Strecke zwischen Löhne und Rheine und somit in Mittellage befand. Dies war für einen Stützpunkt für die Versorgung und Wartung der Dampflokomotiven sehr günstig. Osnabrück wurde auch Sitz der „Westbahn-Inspection III“.
Erste Fahrpläne mit sehr unterschiedlichen Reisezeiten

Der erste Fahrplan sah zwischen Löhne und Osnabrück drei Züge pro Richtung vor und wurde den Osnabrücker Bürgern mit der „Bekanntmachung über die Eröffnung des Betriebes auf der Eisenbahnstrecke zwischen Osnabrück und Löhne“ am 16. November 1855 kundgetan:
- ab Osnabrück: um 03.30 Morgens; 09:20 Morgens; 03:15 Nachmittags
- ab Löhne: um 06:00 Morgens; 11:25 Morgens; 05:35 Nachmittags
Mit der vollständigen Streckeneröffnung über Rheine bis nach Emden am 19. Juni 1856 vergrößerte sich auch das Zugangebot für Osnabrück. Zwischen Löhne und Osnabrück verkehrten nun vier Züge von denen zwei in Osnabrück endeten und zwei durchgängig bis Emden weiterfuhren. Zusätzlich gab es morgens einen weiteren Zug von Osnabrück nach Emden. In der Gegenrichtung verkehrten ebenfalls zwei durchgehende Züge von Emden nach Löhne, ein dritter Zug aus Emden endete in Osnabrück, zwischen Osnabrück und Löhne gab es darüber hinaus eine weitere Zugverbindung.
Insgesamt waren die Reisezeiten je nach Verbindung sehr unterschiedlich. Von Löhne nach Osnabrück benötigte der Frühzug 2:20 Stunden, währen der Mittagszug die gleiche Strecke in 1:15 Sunden zurücklegte.
Veränderungen und Erweiterungen in den 1860er und 70er Jahren
Mitte der 1860er traten politische Veränderungen ein, die unmittelbaren Einfluss auch auf die Eisenbahn in Osnabrück hatten. Die Beteiligung des Königreichs Hannover am deutsch-deutschen Krieg von 1866 brachte auf der Seite Österreichs eine schwere Niederlage gegen das Königreich Preußen.

Da Hannover zuvor ein Bündnisangebot Preußens ausgeschlagen hatte, wurde das gesamte Königreich als „Provinz Hannover“ von Preußen annektiert. Damit endete auch die Zeit der Königlich Hannoverschen Eisenbahn. Die Zuständigkeit auch für die Osnabrücker Bahnanlagen übernahm die Preußische Staatsbahn. Im selben Jahr erhielt die private „Cölln-Mindener-Eisenbahngesellschaft“ (CME) die Konzession zum Bau einer Bahnstrecke von Venlo über Münster und Osnabrück nach Hamburg. Ab dem 01. September 1871 wurde der Abschnitt Münster – Osnabrück dem Betrieb übergeben und bis Mai 1874 bestand eine durchgehende Bahnstrecke bis Hamburg. Das Verkehrsaufkommen in Osnabrück stieg rapide an. Am Klushügel entstand mit dem „Bremer-Bahnhof“ die neue Anlage für den Personen- und Güterverkehr der „Cölln-Mindener-Eisenbahn“. Auf eine gemeinsame Verkehrsstation hatten sich die beiden Bahnverwaltungen nicht einigen können. Eine Verbindungskurve zwischen dem neuen „Cölln-Mindener-Bahnhof“ und dem „Hannoverschen Bahnhof“, die heutige Kluskurve, ermöglichte aber den Wagenübergang zwischen beiden Bahnhöfen.

Auch im Großherzogtum Oldenburg liefen Planungen für eine durchgehende Bahnverbindung von Oldenburg nach Osnabrück. 1871, als der Bau der „Venlo-Hamburg-Bahn“ schon gut vorangeschritten war, fasste der oldenburgische Landtag den Beschluss, die sogenannte Südbahn von Quakenbrück bis Osnabrück zu verlängern. Am 15. November 1876 erfolgte auf dieser Strecke die Betriebsaufnahme. Der Anschluss an die Westbahnstrecke erfolgte zwar in Osnabrück-Eversburg, die Personenzüge der „Großherzoglichen Oldenburgischen Eisenbahn“ (GOE) begannen und endeten jedoch am Hannoverschen Bahnhof. Das Betriebswerk am Hannoverschen Bahnhof übernahm somit auch das Restaurieren und Abstellen der oldenburgischen Lokomotiven.
Die stetige Zunahme des Bahnverkehrs, verstärkt durch die neuen Strecken, machte eine umfangreiche Erweiterung der Anlagen am „Hannoverschen Bahnhof“ erforderlich. Der kleine Lokschuppen reichte bei weitem nicht mehr aus, da die Maschinen an Größe und Anzahl erheblich zugenommen hatten. Die zusätzlichen Züge der GOE erforderten zusätzliche Bahnsteigkapazitäten. Für den Güterverkehr wurden dringend zusätzliche Gleise benötigt und auch der Wagenübergang zum Güterbahnhof der CME benötigte Gleiskapazitäten. Ende der 1870er Jahre wurde die bedarfsgerechte Erweiterung der Bahnanlagen am Hannoverschen Bahnhof vollzogen, die gegen 1879[13] abgeschlossen worden sein dürfte.
Neudimensionierung der Bahnanlagen Ende der 1870er Jahre
Da mittlerweile alle Osnabrück ansteuernden Lokomotiven mit Kohle geheizt wurden, war die alte Kokerei der ehemaligen Königlich Hannoverschen Eisenbahn entbehrlich und auch der relativ kleine, rechteckige Lokschuppen konnte die Bedürfnisse der neuen Zeit nicht mehr erfüllen. Zudem wurde das Gelände für die Erweiterung der Gleisanlagen benötigt. Mit dem Abriss der Gebäude entstand der nötige Platz für zusätzliche Güterzuggleise. Zwischen dem Güterschuppen und der Reparaturwerkstatt für die Lokomotiven entstanden nun insgesamt zehn Gleise, von den zwei für Personenzüge vorgesehen waren und acht für Güterzüge. Lange Weichenstraßen ermöglichten es, alle Gleise direkt zu erreichen. Auch südlich des Güterschuppens entstanden drei zusätzliche Lade- und Abstellgleise, die von Westen her angebunden waren. Aber auch für den Personenverkehr benötigte man zusätzliche Kapazitäten, so dass ein zweiter Zwischenbahnsteig errichtet wurde. Der Hannoversche Bahnhof verfügte nun über insgesamt drei Bahnsteigkanten. Westlich der Werkstatt, in etwa auf dem Gelände der alten Kokerei, baute man einen großen Kohlebansen für die Vorhaltung des nötigen Lokomotivbrennstoffs. Unmittelbar östlich der Werkstatt, direkt gegenüber des Empfangsgebäudes, errichtete die Bahnverwaltung einen Ringlokschuppen mit 20 Stellplätzen. Sowohl die Reparaturwerkstatt als auch der dahinterliegende Kohlebansen erhielten direkte Zuführungsgleise zum Ringlokschuppen.

Da der zur Verfügung stehende Platz für die Erweiterung der Betriebsanlagen nicht ausreichte, musste sowohl der Verlauf des Sandbachs als auch der der Sandbachstraße selbst verlegt werden. Ebenso verschwenkte man das städtische Anschlussgleis nach Osten und schaffte so einen direkten Gleisanschluss an die CME-Strecke, so dass von hieraus eine direkte Wagenzustellungsmöglichkeit geschaffen wurde. Zwischen Personenbahnhof und Ringlokschuppen baute man hierfür zwei Übergabegleise für die Güterwagen in Richtung CME sowie zum städtischen Gleisanschluss.
Vom Hannoverschen Bahnhof aus war man jedoch weiterhin auf einen Richtungswechsel der Wagen angewiesen. Nach ersten Planungen sollte dieser weiterhin mittels einer kleinen Drehscheibe geschehen, die nach Osten hätte verschoben werden müssen. Schließlich entschied man sich dann aber doch für eine Weichenverbindung mit Ausziehgleis.
Der Wagenschuppen östlich des Empfangsgebäudes erhielt keine Gleisanbindung mehr und diente in der Folgezeit als Magazingebäude. Damit war das Erweiterungsprojekt am Hannoverschen Bahnhof im Wesentlichen abgeschlossen und die Anlage hatte ihre größte Ausdehnung erreicht.[14]
Der Hannoversche Bahnhof in Zahlen und Daten zu Beginn der 1890er Jahre
Die nachstehende Aufstellung soll einen nicht abschließenden Überblick über die verschiedenen Bahnbeschäftigten, ihre Tätigkeiten und Dienstbezeichnungen geben.
Die Dienststellen
Der Hannoversche Bahnhof zu Osnabrück wurde zu dieser Zeit als „Personen- und Güterstation 1. Klasse mit getrenntem Dienst“ von einem „Stationsvorsteher 1. Klasse“ und drei Stationsassistenten geführt. Sie waren für die vier Dienststellen:
- Stationsverwaltung
- Fahrkartenverkauf und Stationskasse
- Gepäckversand sowie
- Güter- und Eilgutversand
zuständig.
Hinzu kam noch die Lokomotivwerkstatt, die als „Nebenwerkstätte“ geführt wurde. Zusammen zählten die Dienststellen damals insgesamt 263 Beschäftigte.

Der Verkehrsdienst
An der Zusammenstellung der Züge wirkten verschiedene Eisenbahner mit. Für das Bilden und Auflösen der Züge sowie für den Wagenverschub gab es drei Rangiermeister, drei Rangierer sowie drei Wagenverschieber, die von drei „Kopplern“ Unterstützung bekamen. Neun Packmeister waren für eine sichere Verladung der Güterwaren verantwortlich. Zwei Wagenmeister waren dafür verantwortlich, dass sämtliche Waggons vor ihrer Abfahrt auf Verkehrstüchtigkeit hin untersucht wurden.[15]
Darüber hinaus versahen 10 Schaffner sowie 34 „Bremser“ bzw. „Hülfsbremser“ ihren Dienst.
Hinzu kam das Personal in den beiden Güterschuppen und im Stationsgebäude selbst wie z.B. Wagenputzer, Lampenputzer, Gepäckarbeiter, Telegraphisten, Telegraphenboten, Barrierewärter[16], Materialverwalter und Lademeister. Neben dem Fahrkartenverkauf übernahmen sie z. B. Tätigkeiten in der Gepäckaufbewahrung, im Gepäck- sowie Eilgutversand oder im Telegrafendienst.
Der Betriebsdienst
Nach der umfangreichen Erweiterung der Gleisanlagen verfügte der Hannoversche Bahnhof über insgesamt 58 Weichen von denen 23 „centralisiert“ waren, d.h. sie wurden von einem Stellwerk aus ferngestellt. Für die 35 ortsgestellten Weichen gab es vier Weichenstellerbuden[17]. Der Dienst wurde von sechs „Weichenstellern“ und 10 „Hilfsweichenstellern“ rund um die Uhr versehen.
Das Betriebswerk
Das Bahnbetriebswerk beheimatete 19 Lokomotiven und beschäftigte im Fahrdienst u.a. 18 Lokführer und 14 Heizer. Im Werkstattbereich sorgten zwei Maschinenwärter, zwei Vorarbeiter, 27 Schlosser, fünf Schmiede, zwei Dreher, sechs Arbeiter, ein Hilfsarbeiter und 20 Maschinenputzer für die Wartung, Reparatur und Instandsetzung der Lokomotiven.
Der Güterverkehr
Zu Beginn der 1890er Jahre verfügte der Güterbahnhof am Hannoverschen Bahnhof über einen „Empfang=Güterschuppen“ und einen weiteren Güterschuppen. Im erst genannten war auch eine Dienstwohnung für einen Lademeister eingerichtet, der andere Schuppen beherbergte zusätzlich einen Büro- und Lagerraum für die Steuerbehörde.
Die wichtigsten Versandgüter damals waren: Eisenbahnoberbaumaterialien, Walzdraht, Drähte, Drahtnägel, Maschinenteile, Dampfkessel, Gasuhren, Wagen und Schlitten, Papier, Tapeten, Marmorwaren, Möbel, Baumwollgewebe, Rohtabak, Tabak und Zigarren, Mehl, Presshefe, Fleisch- und Wurstwaren, Bier und Brandwein.
Im Empfang dominierten Kohlen, Roheisen, Rohzink, Stahl, Quarz und feuerfester Ton, Flachs, baumwollene Garne, Farbwaren, Rohtabak, Lumpen, Holzstoffe und Strohmasse zur Papierherstellung, Getreide, Bettfedern, Korkholz, roher Marmor und Granit sowie geschlachtete Schweine.[18] In Zahlen ausgedrückt bedeutete dies für das Geschäftsjahr 1893/94 einen Umschlag von 198.875 Warentonnen und 19.823 Stück Vieh.[19]
Aufbruch in eine neue Zeit

Sammlung: L. Hülsmann
Die Tatsache, dass es in Osnabrück seit 1871 mit dem „Bremer Bahnhof“ der Cöll-Mindener- Eisenbahn am Klushügel einen zweiten „Hauptbahnhof“ gab, war in allen betrieblichen und verkehrlichen Belangen unbefriedigend. Reisende konnten nicht direkt umsteigen, sondern mussten z.B. per Pferdekutsche zwischen beiden Bahnhöfen pendeln. Und trotz aller Erweiterungen waren die Verhältnisse an beiden Standorten für den Güterverkehr sehr beengt. Neue Lösungen mussten dringend gefunden werden. Bereits ab 1884 begannen die Planungen für einen neuen „Centralbahnhof“ der im Schnittpunkt der beiden Hauptstrecken und damit erneut in Stadtrandlage entstehen sollte.
Dieser „Centralbahnhof“ wurde für die Hamburg-Venlo-Bahn am 24. April 1895 in Betrieb genommen, dem Hannoverschen Bahnhof blieb noch eine Gnadenfrist von einer Woche. Ab dem 01. Mai 1895 steuerten die Personenzüge der ehemaligen Westbahn und der GOE ebenfalls den neuen Hauptbahnhof an. Einige Jahre später, um die Jahrhundertwende, wurden dann auch die Bahnsteige zurückgebaut.[20] In dem nun ehemaligen Empfangsgebäude zogen wichtige Verwaltungseinheiten der Eisenbahn wie Betriebsamt, Maschinenamt und später auch die Generalvertretung ein.

Für den Güterverkehr blieb die unbefriedigende Situation zunächst unverändert weiter bestehen, bis rund 18 Jahre später im Stadtteil Fledder ein neuer Güter- und Verschiebebahnhof mit großzügigen Anlagen und umfangreichen Kapazitäten sowie einem neuen Bahnbetriebswerk in Betrieb genommen wurde. Parallel zur Verlagerung des Güterverkehr wurden auch die Gleisanlagen zwischen dem neuen Hauptbahnhof und der Haltestelle am Hasetor angehoben. Die am Hannoverschen Bahnhof nun nicht mehr benötigten Werkstätten und der Ringlokschuppen wurden abgerissen, die beiden Güterschuppen blieben zunächst bestehen.
Auf der Nordseite des Geländes, an der Sandbachstraße erhielt man eine kleine Gleisgruppe für das Abstellen von Personenwagen. Diese Gleisgruppe ist auch im Jahr 2025 noch in Betrieb und umfasst vier elektrifizierte Stumpfgleise. Bis zum Jahr 1967 erfolgte das Vorheizen der hier abgestellten Reisezugwagen durch eine Dampflokomotive, die Tag und Nacht von einem Heizer mit Kohle gefeuert wurde, um die entsprechende Wärme zu erzeugen. In Folge der Elektrifizierung des oberen Personenbahnhofs im Jahre 1966 installierte die Bundesbahn, sehr zur Erleichterung der betroffenen Anwohner, eine elektrische Zugvorheizanlage, so dass die ungeliebte „Qualmerei“ ein Ende fand.[21]
Das ehemalige Bahnhofsgebäude wurde während des 2. Weltkrieges so schwer beschädigt, dass der östliche Gebäudeflügel durch einen kleinen und funktionalen Anbau ersetzt werden musste.

Hauptteil und Westflügel wurden wieder hergerichtet, so dass das Gebäude auch weiterhin Standpunkt für die verschiedenen Bundesbahnämter in Osnabrück sein konnte. Nach der Bahnreform im Jahr 1994 war der „Hannoversche Bahnhof“ Sitz des Betriebsstandortes Osnabrück der DB-Tochtergesellschaft DB Netz AG, die das Gebäude noch rund 10 Jahre lang nutzte. 2004 schließlich konzentrierte die DB Netz AG ihre Arbeitsplätze an der Schinkelstraße, eine bahnseitige Nachnutzung blieb aus.

Es folgten einige Jahre des Leerstandes und 2012 schließlich die Entwidmung von Bahnzwecken. Im gleichen Jahr veräußerte die DB das denkmalgeschützte Gebäude. Nachdem der Besitzer 2013 abermalig gewechselt hatte, startete im Jahr darauf eine umfassende Sanierung. Hierbei wurde auch der östliche Anbau komplett umgestaltet und unter energietechnischen Gesichtspunkten modernisiert. Seit 2015 verfügt das Gebäude über acht unterschiedlich große Mieteinheiten für Dienstleistungsunternehmen.[22]
Quellen:
[1] Deutsche Bundesbahn (1978), S. 111 ff.
[2] vgl. Hülsmann (1982), S. 10ff.
[3] vgl. Riepelmeier (2014b), S. 23 und Deutsche Bundesbahn (1985) S. 15
[4] vgl. Deutsche Bundesbahn (1978), S. 113
[5] vgl. Häring/Spilker (2005), S18
[6] vgl. Häring/Spilker (2005), S22f.
[7] vgl. Deutsche Bundesbahn (1985), S. 18f.
[8] vgl. Spilker (2022), „Kein großer Bahnhof“, Gastbeitrag zum „Osnabrücker Geschichtsblock“, Internetquelle: https://hvos.hypotheses.org/6704 (abgerufen am 01.05.2025)
[9] ebenda
[10] vgl. Deutsche Bundesbahn (1985), S. 18
[11] vgl. Hülsmann (1982), S. 225
[12] vgl. Riepelmeier (2014a), S. 24
[13] vgl. Hülsmann (1982), S. 33
[14] Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv Osnabrück: Projektplan zur Umgestaltung der Bahnanlagen in Osnabrück (NLA OS K 62 b Nord Nr. 27 H-Han Bf-1871)
[15] auch das ist heute noch so
[16] kontrollierten den Bahnsteigzugang
[17] Der Ausdruck „Bude“ ist in diesem Zusammenhang nicht abwertend gemeint. Er entspricht dem Eisenbahnersprachgebrauch der damaligen Zeit.
[18] vgl. Hülsmann (1985), S. 48
[19] vgl. Riepelmeier (2014b): S. 55
[20] vgl. Neue Osnabrücker Zeitung (2005): 1. Bahnhof mit Kokerei und Ringlokschuppen
[21] vgl. Neue Tagespost (1967) – Qualmerei hört bald auf
[22] vgl. Hüdepohl: https://www.huedepohl-ferner.de/referenzen/hannoverscher-bahnhof-osnabrueck