Ein Blick hinter die Kulissen von Matthias Beermann (Tag des Besuchs 10.08.2024)
Westlich von Osnabrück-Eversburg und schon auf nordrheinwestfälischem Gebiet liegen die beiden Betriebsbahnhöfe Lotte und Velpe, die ab Oktober 2024 vom ESTW Osnabrück aus gesteuert werden. Bereits in den Sommerferien 2023 und 2024 liefen zwischen Osnabrück und Ibbenbüren die Vorbereitungsarbeiten der DB InfraGO für diese nächste Ausbaustufe des ESTW Osnabrück, die im Herbst 2024 realisiert werden soll. Neben den beiden Betriebsbahnhöfen wird auch der Bahnhof Os-Eversburg ab diesem Zeitpunkt zentral von Osnabrück aus gesteuert. In Velpe gehen damit die letzten beiden mechanischen Stellwerke im Raum Osnabrück außer Betrieb, in Lotte und Os-Eversburg werden jeweils Drucktastenstellwerke älterer Bauart ersetzt.
Kurz vor der Umschaltung erlaubte mir die DB InfraGO AG – Netz Osnabrück einen Einblick vor Ort, so dass ich an einem strahlenden Nachmittag im August 2024 den Fahrdienstleitern und Weichenwärtern bei der Arbeit über die Schultern schauen konnte. Beide Bahnhöfe möchte ich, ergänzt um einige historische Aufnahmen und Hintergrundinformationen, vorstellen.
–> Hier gehts zum Bahnhof Lotte
Der Bahnhof Velpe (Westf)
Rund 16 Kilometer westlich vom Osnabrücker Hauptbahnhof, im Streckenkilometer 148,1 befindet sich der Betriebsbahnhof Velpe (Westf). Stellwerkstechnisch gesehen eine „mechanische Insel“ auf der zweigleisigen, elektrifizierten Hauptbahn Löhne – Osnabrück – Rheine, auf der internationale Reise- und Güterzüge verkehren. Mächtig erheben sich die Formsignale an beiden Bahnhofsköpfen. Der Bahnhof ist mit seinen beiden mechanischen Stellwerken somit noch eine wahre Rarität und der Letzte seiner Art im Osnabrücker Eisenbahnnetz, auch wenn er heute „nur“ noch der betrieblichen Disposition dient.
Zwar hatte der Bahnhof Velpe für den Güterverkehr noch bis zum Jahr 2009 eine gewisse Bedeutung, aber Reisezüge halten auch hier, wie in Lotte, seit dem 02.06.1991 nicht mehr. Dementsprechend musste die Anreise mit dem Auto erfolgen, was sich aufgrund der mangelnden Ortskenntnis als etwas umständlich erwies.
Die Arbeiten für die bevorstehende ESTW-Umstellung waren in vollem Gange, weshalb etliche Straßen entlang der Bahnstrecke für Durchfahrten gesperrt waren. Und so war das im östlichen Bahnhofskopf gelegene Fahrdienstleiterstellwerk „Vf“ (Bauform Einheit von 1950) gut zu erkennen, aber schlecht zu erreichen. Auch auf der anderen Bahnseite war kein Durchkommen zum Stellwerk, denn auch kurz hinter dem ehemaligen Schrankposten 146 (das Gebäude wird heute privat genutzt) war die Straße gesperrt. Somit begann der Besuch im westlichen Bahnhofskopf auf dem Wärterstellwerk „Vw“ (ebenfalls Bauform Einheit aus dem Jahr 1950), das unmittelbar am Bahnübergang „Tecklenburger Straße“ liegt.
Bei meiner Ankunft wurde ich bereits erwartet und vom diensthabenden Weichenwärter freundlich begrüßt. Nach kurzer Vorstellung bekam ich ausführlich die Funktionsweise der mechanischen Stellwerkstechnik und die bestehenden Abhängigkeiten von Wärter- und Fahrdienstleiterstellwerken erläutert (siehe nachstehenden Exkurs).
Hintergrund: Mechanische Stellwerke
So funktionieren die mechanischen Abhängigkeiten
Da im mechanischen Stellwerk die Weichen und Signale mittels Hebeln über Seilzüge gestellt werden, ist die Stellweite auf 1,5 bis 1,7 Kilometer begrenzt. Die entsprechenden Gegengewichte befinden sich in einem Raum unterhalb der Hebelbank (oder ggf. auch entlang der Gleise). Hinzu kommt, dass auf mechanisch gestellten Bahnhöfen das Freisein der Gleise durch Hinsehen der Mitarbeiter festgestellt werden muss, da es in der Regel keine selbsttätige Gleisfreimeldeanlage gibt. Somit sind diese Bahnhöfe oft in mehrere Fahrwegprüfbezirke aufgeteilt, in denen der jeweilige Stellwerksbedienstete für das Stellen von Weichen und Signalen und die Freiseinsprüfung des Fahrweges zuständig ist.
Die Zustimmung zu einer Zugfahrt erteilt aber ausschließlich und alleinverantwortlich der Fahrdienstleiter des Bahnhofs. Aus diesem Grunde müssen Fahrdienstleiter- und Wärterstellwerke in eine gegenseitige Abhängigkeit gebracht werden, die ein Zusammenwirken der Mitarbeiter erzwingen. Diese Abhängigkeiten werden mechanisch über den sogenannten Bahnhofsblock hergestellt.So benötigt der Fahrdienstleiter die „Zustimmung“ des Weichenwärters, bevor er eine Fahrt in den Bezirk des Weichenwärters zulassen kann. Umgekehrt muss der Fahrdienstleiter dem Weichenwärter einen „Befehl“ erteilen, eine entsprechende Fahrstraße einzustellen bzw. ein Hautpsignal zu bedienen. Voraussetzung für die „Zustimmungs- oder Befehlsabgabe“ ist immer, dass der Fahrweg richtig eingestellt und auf Freisein geprüft ist.
Nach einer Zugfahrt müssen die Einrichtungen des Bahnhofsblocks wieder in Grundstellung gebracht werden. Dies ist jedoch erst möglich, nachdem ein Zug entsprechende Kontaktpunkte am Gleis befahren hat und so die mechanischen Hebel wieder freigegeben worden sind.
Vertiefende Einblicke in die Wirkungsweise verschiedener Stellwerke finden sich auf der Webseite „Stellwerke.de“.
Neben dem Stellen der Weichen und Signale obliegt dem Weichenwärter und dem Fahrdienstleiter jeweils die Aufgabe, die Bahnübergänge in ihrem Bezirk vor der Zugfahrt zu schließen. Um zu verhindern, dass die Schranken während einer Zugfahrt versehentlich geöffnet werden, wurde auf beiden Stellwerken eine sogenannte Schlüsselabhängigkeit eingebaut. Das bedeutet, dass nach dem Schließen der Schranke die Schrankenkurbel durch einen Schlüssel verschlossen wird. Dieser Schlüssel muss danach von der Schrankenkurbel abgezogen werden und in einer Vorrichtung an der Hebelbank „eingeschlossen“ werden. Erst danach und nachdem die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, können die Hauptsignale, die Fahrten auf den Bahnübergang zulassen, in die Fahrtstellung gebracht werden. Solange ein Signal auf Fahrt steht und die Fahrstraße eingestellt ist, kann auch der Schlüssel für die Schrankenkurbeln nicht mehr entnommen werden. Die Eisenbahner nennen diese Zwänge „Signalabhängigkeit“.
Die Züge werden hier auf der Strecke Osnabrück – Rheine im sogenannten Zugmeldeverfahren von Fahrdienstleiter zu Fahrdienstleiter zwischen den Nachbarbahnhöfen „abgemeldet“. Parallel dazu werden die Zugnummern auch auf einer modernen Zugnummernmeldeanlage mitgeschaltet. Die Weichenwärter auf dem Stellwerk „Vw“ hören die Zugmeldungen ebenfalls mit. Hier auf dem Stellwerk „Vw“ ließ sich bei jeder Zugfahrt sehr anschaulich erkennen, welche Bedingungen und Voraussetzungen ineinander greifen müssen, damit eine Zugfahrt sicher durchgeführt werden kann.
Ganz praktisch ließ sich das bei der Fahrt der Regionalbahn ERB 20369 nachvollziehen:
Vom benachbarten Ibbenbüren kommend, sollte sie aufgrund von Bauarbeiten planmäßig in Velpe enden und nicht nach Osnabrück weiterfahren. Kurz nach der Zugmeldung rappelte das Bahnhofsblockfeld „von Ibbenbüren nach Gl. 3“ und die Farbscheibe wechselte von „rot“ auf „weiß“. Auf diese Weise hatte der Fahrdienstleiter dem Weichenwärter den Auftrag erteilt, die Fahrstraße für die Eurobahn in das Überholgleis 3 einzustellen. Nacheinander stellte der Weichenwärter nun die Weichen 17, 18 und 19 in den abzweigenden Strang, um direkt danach die Schranken am Bahnübergang vor dem Stellwerk zu schließen – natürlich abgestimmt auf den Straßenverkehr. Allzu viel war an diesem Nachmittag allerdings nicht los. Nachdem die Schranken geschlossen waren, wurden die Kurbelanlage durch Entnahme eines Schlüssels verschlossen. Mit dem Schrankenschlüssel entriegelte der Weichenwärter nun ein Schloss auf der Hebelbank, so dass die eingestellte Fahrstraße nach Gleis 3 mit dem Fahrstraßenhebel mechanisch festgelegt werden konnte. Im letzten Schritt erfolgte die blockelektrische Festlegung durch Betätigung des Festlegehebels über dem Blockwerk. Diese letzte Festlegung erzwingt die Mitwirkung des Zuges beim Auflösen der Fahrstraße. Erst nachdem der Zug eine Einwirkstelle im Gleis befahren hat, wird die blockelektrische Festlegung aufgelöst und der Weichenwärter kann seine Anlage wieder in Grundstellung bringen. Außerdem ist sie die letzte Voraussetzung dafür, ein Hauptsignal in die Fahrtstellung zu bringen. Hier waren nun alle Bedingungen erfüllt und der Weichenwärter zog als letzten Schritt den Signalhebel „H“. Beide Signalflügel gingen schräg nach oben, was dem einfahrenden Zug „Langsamfahrt (40 km/h)“ gebot.
Die Schritte zum Auflösen der Fahrstraße erfolgten in umgekehrter Reihenfolge, nachdem sich der Weichenwärter durch Hinsehen davon überzeugt hatte, dass der Zug im Gleis 3 zum Halten gekommen war und über das Zugschlusssignal verfügte.
Der Bahnhofsblock wurde nun in Grundstellung gebracht und der Zug nach Ibbenbüren „zurückgeblockt“. Damit war die Strecke für die nächste Zugfahrt aus dieser Richtung wieder freigegeben. Als letztes konnten schließlich auch die Schranken des Bahnübergangs wieder geöffnet werden.
Nicht ohne Wehmut berichtete mir der Weichenwärter, dass mit dem Ende der mechanischen Technik in Velpe auch die Tage des Stellwerksgebäudes gezählt sind. Denn nach der Umstellung auf ESTW-Technik soll der Bahnübergang neben dem Stellwerk bis 2027 zugunsten einer Straßenunterführung beseitigt werden. Hierfür wird auch die Fläche benötigt, auf der aktuell das Stellwerk „Vw“ steht. Das der Einzug der modernen ESTW-Technik in absehbarer Zukunft in Velpe Einzug halten wird, ist beim Blick aus dem Fenster offenkundig. Die Weichen sind bereits mit elektrischen Antrieben ausgerüstet und neben den Gleisen, gegenüber vom Stellwerk liegen bereits die Kombinationssignale (Ks-Signale), die ab Oktober die mechanischen Formsignale ersetzen werden.
Wenn man vom Wärterstellwerk aus auf die Bahnhofsgleise nach Osten schaut, dann fällt der Blick auf das gelbe Fahrdienstleiterstellwerk „Vf“. Es ist analog zum Stellwerk „Vw“ aufgebaut. Unmittelbar neben dem Stellwerk befindet sich eine Umladestelle für Trafotransporte der Firma RWE für deren Umspannanlage in Westerkappeln, die auch heute noch genutzt wird. Das Besondere an dieser Umladestation ist, dass sie über eine sogenannte zungen- und herzstücklose Anbindung verfügt.
Ebenfalls im östlichen Bahnhofskopf sind noch die Gleise des ehemaligen Industrieanschlusses zu erkennen, der sich zuletzt im Besitz der Firma Poppensieker & Derix befand, seit 2009 allerdings nicht mehr bedient wird und auch nicht mehr an das DB Streckennetz angeschlossen ist.
Bevor ich mich verabschiedete, konnte ich noch einen Blick in den im Erdgeschoss gelegenen Raum mit den Hebelgewichten werfen. Diese sind zum Umstellen von Weichen und Signalen unbedingt notwendig und hier im Stellwerk gut geschützt.
Ein Blick in die Geschichte der Bahnstation
Im Gegensatz zum Bahnhof Lotte erhielt die Ortschaft Velpe bereits im Rahmen der Streckeneröffnung im Jahr 1856 einen eigenen Bahnanschluss mit einem zweistöckigen Stationsgebäude. Dieses war für die damalige Zeit gut ausgestattet: Neben zwei Wartesälen (für die 1./2. sowie für die 3./4. Klasse) gab es einen Fahrkartenschalter, Gepäckversand sowie eine „Privatdepeschen-Annahme“. Hinzu kam ein Güterschuppen sowie weitere Bahndienstgebäude. Der Anlagenbestand soll zwei Haupt- und zwei Nebengleise umfasst haben, die über zehn ortsgestellte Weichen miteinander verbunden waren. Neben dem Hausbahnsteig gab es auch einen Zwischenbahnsteig.
Mit dem zweigleisigen Ausbau der Strecke Osnabrück – Rheine im Jahr 1908 dürfte der Bahnhof seinen heute noch bestehenden Umfang erreicht haben. Zusätzlich zu den drei Hauptgleisen gab es noch die Gleise 4 und 5 die zum Güterschuppen neben dem Empfangsgebäude und zur Ladestraße führten.
Nach dem 2. Weltkrieg erhielt der Bahnhof Velpe eine neue, wenn auch weiterhin mechanische Stellwerkstechnik. Im Bahnhofsgebäude befand sich die Befehlsstelle des Fahrdienstleiters „Vmf“. Von hieraus gingen die Stellbefehle an die abhängigen Wärterstellwerke „Vw“ und „Vo“ (das heutige „Vf“).
Zum Jahreswechsel 1969/1970 wurde das weitgehend ungenutzte und wenig gepflegte Bahnhofsgebäude abgerissen. Zuvor musste die Stellwerkstechnik dahingehend angepasst werden, dass die Aufgaben des Fahrdienstleiters nun von einem der Wärterstellwerke aus wahrgenommen werden konnten. Hierfür wurde das Stellwerk „Vo“ zum Fahrdienstleiterstellwerk aufgerüstet. Die Befehlsstelle „Vmf“ verschwand mit dem Bahnhofsgebäude.
Das Zugangebot, mit Ausnahme der späten Kriegs- und Nachkriegsjahre, blieb sehr konstant. Je Richtung hielten an Werktagen 9 – 10 Personenzüge pro Richtung in Velpe. Der Individualisierung des Reiseverkehrs konnte die Bahn damit nichts entgegensetzen, hinzu kam die große Entfernung der Station zu den Wohngebieten rund um Velpe. Dementsprechend plante die Bundesbahn, den Verkehrshalt in Velpe zum Sommerfahrplan 1977 aufzuheben. Tatsächlich wurde dieser dann erst 14 Jahre später zum 02. Juni 1991 vollzogen. Das Angebot hatte die Bundesbahn in diesen 14 Jahren nicht optimiert. So blieb es auch im Jahr der Haltauflassung bei den bereits genannten Verkehrshalten.
Güterschuppen und Landestraße wurden ab Ende der 1970er Jahre nicht mehr benötigt und so erfolgte zu Beginn der 1980er Jahre dessen Abriss. Die beiden Nebengleise wurden von der Hauptstrecke abgebunden. Dennoch blieben Gleise und Bahnsteige noch bis in die 2020er Jahre erhalten, auch wenn sie zunehmend überwuchert wurden. Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten für das neue ESTW baute man sie schließlich endgültig zurück. Das im östlichen Bahnhofskopf gelegene Industrieanschlussgleis konnte sich noch bis zum Jahr 2009 einer aktiven Nutzung erfreuen, bevor auch hier der Verkehr eingestellt wurde.
Hintergrund: Die „Perm Bahn“
Von der Bergwerksbahn zur Umgehungsbahn
Südöstlich des Bahnhofs Velpe entstand im Jahr 1884 eine Bergwerksbahn, die vom Permer Stollen über Hasbergen zur Georgsmarienhütte führte und vom „Georgs-Marien-Bergwerks- und Hüttenverein“ betrieben wurde. Sie trug den Namen „Permer Bahn“. Bis 1926 wurden hier Eisenerze zur Georgs-Marien-Hütten transportiert, teilweise fand in den ersten Jahren auch Personenbeförderung statt. Nach ihrer Stilllegung wurden die Gleise wieder zurückgebaut, der Bahndamm blieb jedoch erhalten.
Im Jahr 1944, als die Häufigkeit und Intensität der alliierten Bombenangriffe auf Deutschland zunahmen, gerieten auch die Osnabrücker Bahnanlagen zunehmend in Mitleidenschaft, so dass insbesondere in der Nord-Süd-Richtung eine Umfahrungsmöglichkeit des Eisenbahnknotens Osnabrück erforderlich wurde. Südlich von Hasbergen, an der Blockstelle Leeden, baute man einen Abzweig und führte diesen auf den Damm der alten Permer Bahn rund 8 Kilometer bis nach Velpe. Mit einer neuen Verbindungskurve schloss man die Umgehungsbahn an die Strecke Rheine – Osnabrück an. Ab Osnabrück-Eversburg gab es dann eine weitere Umgehungsbahn, die nördlich von Osnabrück wieder auf die Nord-Süd-Strecke führte.
Auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde die Umgehungsbahn noch genutzt, im Jahr 1946 verkehrte hier sogar ein Schnellzugpaar von Münster über Osnabrück und Hameln nach Hannover (D 387/ D 388). Auch in der offiziellen Kursbuchkarte der Direktion Münster von 1948 war diese Streckenverbindung als Hauptbahn verzeichnet. Ihr schlechter Zustand und die Tatsache, dass die verbauten Schienen und Schwellen zu Teilen in den Niederlanden entwendet worden waren, führte zum Abbau der Strecke im Jahr 1949 und zur Rückgabe der Materialien an die Niederlande.
Der Bahnhof Lotte (Kr Tecklenburg)
Vom Fahrdienstleiterstellwerk in Velpe ging es an diesem Nachmittag weiter ins benachbarte Lotte. Seit dem Fahrplanwechsel am 02. Juni 1991 halten auch in Lotte keine Reisezüge mehr. Bereits 15 Jahre zuvor hatte die Bundesbahn den Stück- und Expressgutversand eingestellt und auch sonst findet in Lotte keine Güterverladung mehr statt, so dass der Bahnhof seither noch als Betriebsbahnhof zur Flexibilisierung des Bahnverkehrs bei Unregelmäßigkeiten dient. Im Februar 2018 wurde zudem der unmittelbar vor dem Bahnhof liegende Bahnübergang der „Wersener Straße“ zugunsten einer höhenfreien Umgehungsstraße beseitigt, so dass das ehemalige Bahnhofsgebäude nun in einer Art „Dornröschenschlaf“ vor sich hindämmert.
Ein üppiges Blumenfeld hat sich weite Teile des alten Hausbahnsteiges zurückerobert. Der Bahnsteig auf der gegenüberliegenden Seite ist weitgehend abgetragen. Verblichen prangt noch das Zeichen der Deutschen Bundesbahn an der Westseite des Gebäudes. Ein wenig wie ein gelandetes Ufo mutet der Stellwerksraum an, der bahnsteigseitig nachträglich an das Bahnhofsgebäude angebaut wurde und so gar nicht zu dessen Form passt. Hier ist der Arbeitsplatz des Fahrdienstleiters, der seit 1968 von hieraus die Weichen und Signale des Bahnhofs Lotte stellt und zusätzlich für die Sicherung mehrerer Bahnübergänge verantwortlich ist.
Das Stellwerk „Lf“ ist ein Drucktastenstellwerk der Firma Siemens (Bauform Dr S 2), das in den 1950er Jahren extra für die effiziente Steuerung kleiner Bahnhöfe entwickelt worden war. Auf dem Stelltisch sind die vorhandenen Gleise, Weichen, Signale und Bahnübergänge schematisch dargestellt. Die Verständigung mit den Nachbarbahnhöfen erfolgt auch hier noch klassisch per Zugmeldeverfahren. Auch hier werden die Zugnummern parallel auf einer modernen Zugnummernmeldeanlage angezeigt. Bis zur Aufgabe der Reisezughalte in Lotte gehörte es auch zur Aufgabe des Fahrdienstleiters, in Zugpausen Fahrkarten zu verkaufen. Der geschlossene Schalter zeugt noch heute davon, auch wenn vor ihm mittlerweile der Drucker positioniert ist.
Mit der Inbetriebnahme des elektronischen Stellwerkes in Osnabrück war ursprünglich die komplette Schließung des Bahnhofs Lotte geplant. Dafür sollte im Bahnhof Os-Eversburg ein Überholgleis reaktiviert werden. Da sich diese Reaktivierung bei tiefergehenden Planungen allerdings als sehr aufwändig erwies, beschloss die DB InfraGO stattdessen den Bahnhof Lotte zu erhalten und künftig in das ESTW-Modul Velpe mit zu integrieren. Dementsprechend wurde auch das Überholgleis 3 ertüchtigt. Weitere Gleisanlagen sind in Lotte nicht mehr vorgesehen und die neuen Ks-Signale kündigen bereits das elektronische Zeitalter an.
Ein Blick in die Geschichte der Bahnstation
Mehr als 20 Jahre nachdem die Hannoversche Westbahn den Betrieb aufgenommen hatte, begann im Jahr 1878 auch für die Ortschaft Lotte das „richtige“ Eisenbahnzeitalter mit der Einrichtung einer Haltestelle für Personenzüge in unmittelbarer Nähe zur Wärterstation 64. Acht Jahre später konnte dann auch örtlicher Güterverkehr ab Lotte versandt werden, wobei sich die neue Bahnstation aufgrund der Streckenführung in einer ungünstigen Lage befand. Ortskerne der nächstliegenden Gemeinden Lotte und Atter lagen zwei bzw. anderhalb Kilometer von dem Bahnhof erfernt.
Nach dem zweigleisigen Ausbau der Westbahn erhielt der Bahnhof Lotte im Jahr 1910 zwei mechanische Stellwerke. Im östlichen Bahnhofskopf auf der Südseite entstand das Wärterstellwerk „Lo“ (Lotte Ost) und im Bahnhofsgebäude installierte man das Fahrdienstleiterstellwerk „Lt“, beide von von der Firma Zimmermann & Buchloh. Sie waren bis 1968 im Einsatz.
Neben den drei Hauptgleisen entstanden in Lotte auch örtliche Rangier- und Verladegleise einschließlich einer Anbindung des Güterschuppens. Das regionale Güterverkehrsaufkommen rechtfertigte zudem ab 1931 die Stationierung einer Kleinlok der Leistungsklasse II in Lotte. Dieser beim Bw Osnabrück Rbf beheimatete Maschinentyp blieb bis 1967 in Lotte stationiert, ab dann übernahm der benachbarte Bahnhof Os-Eversburg die Anschlussbedienung in Lotte.
Verwendete Quellen:
- Garrelt Riepelmeier;
Velpe (Westf)
in: GeraMond – Das große Verzeichnis der Bahnhöfe - Garrelt Riepelmeier;
Lotte (Kr Tecklenburg)
in: GeraMond – Das große Verzeichnis der Bahnhöfe - Deutsche Bundesbahn (1976)
Kursbuch Gesamtausgabe – Winter 1976/77 - Deutsche Reichsbahn (1940/41)
Amtlicher Taschenfahrplan für das Verkehrsgebiet Weser-Ems
2. Winterfahrplan 1940/41, gültig ab 1. Februar 1941 - Deutsche Bahn AG – Bauinfoportal – „Spatenstich in Velpe“
- www.stellwerke.de – Ausführliche Darstellung der verschiedenen Stellwerksbauformen
- www.stellwerke.info – Auflistung bestehender und ehemaliger Stellwerke