Abschied vom Stellwerk Of (2/2): Die letzte gemeinsame Schicht

Aufbruch in ein neues Zeitalter

„Wachablösung“ im Netz Osnabrück. Das ESTW (Bauform Thales) übernimmt die Steuerung der Leit- und Sicherungstechnik im Knoten Osnabrück. Insgesamt 63 Kilometer in Nord-Süd—Richtung und 35 Kilometer in Ost-West-Richtung[1] beträgt der Bereich, für den insgesamt fünf Fahrdienstleiter zuständig sein werden. Zum Vergleich dazu: Auf dem Relaisstellwerk „Of“ überwachten drei[2] Fahrdienstleiter rund 11 km in Nord-Süd-Richtung bzw. gut 8 km auf der Ost-West-Strecke, einschließlich der ferngesteuerten Bahnhöfe Belm, Hörne und Os-Eversburg. Anders als ursprünglich angedacht, sind diese Stellbereiche nicht in die BZ-Hannover integriert, sondern als eigenes Stellwerk in örtlicher Nähe zum Netzstandort ausgestaltet worden. Die Kollegen sprechen daher mit einem Augenzwinkern auch von der „Mini-BZ Osnabrück“.

Tastenpult für zwei Fahrdienstleiter und eine große Stelltafel mit den Bahnhofsteilen. Die Gleisanlagen von Hörne sind bereits ausgebaut. Foto: M. Beermann (26.11.2022)
Arbeitsplatz im neuen ESTW mit acht Monitoren für einen Fahrdienstleiter. Insgesamt fünf dieser Arbeitsplätze werden künftig im ESTW besetzt sein. Foto: M. Beermann (31.03.2023)

Bereits im November 2017 wurde südlich von Osnabrück der erste Stellabschnitt zwischen Natrup-Hagen bis Osnabrück-Hörne auf ESTW-Technik umgestellt, in den Jahren 2019 und 2020 folgte der nördliche Stellbereich von Belm bis Lemförde. Der dazwischenliegende Bereich des Hauptbahnhofs, wie auch dessen untere Ebene, wurde weiterhin vom imposanten Relaisstellwerk „Of“ (Bauform Siemens) gesteuert, das am 04.09.1966 in Betrieb gegangen war.  

Während im Jahr 1966 noch fünf Stunden Totalsperrung des Hauptbahnhofs für die Betriebsaufnahme von „Of“ ausgereicht hatte, fand die Umschaltung auf das ESTW an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden mit jeweils 52 Stunden Totalsperrung statt.

Wehmut zum Abschied

Nachdem alle Bahnhofs- und Streckengleise betrieblich gesperrt, alle Merkhinweise und Sperrkappen angebracht sowie alle Meldungen und Vereinbarungen dokumentiert worden waren, konnten die fünf Hauptschalter für die Stromversorgung der Relais, Weichen, Signale, Gleisstromkreise und der Stellwand umgelegt werden.

Am 21.10.2023 um 00:26 Uhr wurde das Stellwerk „Of“ nach 57[3] Jahren Betriebsdauer für immer abgeschaltet.

Schon am Wochenende zuvor, dem 14.10.2023, war der obere Personenbahnhof vom Netz“ gegangen. Ein bisschen Wehmut schwang in dieser letzten „vollständigen“ Schicht auf dem Stellwerk „Of“ bei allen drei Fahrdienstleitern und den anwesenden Technikern mit, als um 00:38 Uhr erst die Signallampen im Bahnhof und danach die Meldelampen auf der großen Stellwand erloschen.

Erloschen! Das Hauptsignal R1 wartet auf seinen Rückbau. Foto: M. Beermann (14.10.2023)
Ausgeschaltet! Alle Lampen auf der Stellwand sind dunkel – um 00:38 Uhr am 14.10.2023 wurden die Schalter für den oberen Bahnhof auf “aus” gestellt. Foto: M. Beermann (14.10.2023)
Weitergeleitet! Alle Anrufe gehen ab sofort auf dem ESTW ein. Foto: M. Beermann (14.10.2023)

Während es nach der Abschaltung auf dem Stellwerk ruhiger wurde, begannen im Gleisbereich die akribisch geplanten und lange vorbereiteten Umstellarbeiten. Soweit es verkehrlich möglich gewesen war, waren schon in der Vorwoche einzelne Bahnhofsteile wie dem „Vorbahnhof“ und der „Kluskurve“ die alten Lichtsignale abgebaut und die neuen Kombinationssignale angeschlossen worden. In den Nächten am 14.10. und 21.10.2023 galt es nun zügig auch die alten Lichtsignale der bis zuletzt benötigten Anlagen abzubauen. Teilweise mussten auch Signalbrücken entfernt werden. Dort wo eine vorzeitige Aufstellung der neuen Signale aus betrieblichen Gründen nicht möglich war, musste dies nun schleunigst nachgeholt werden. Weiterer Bestandteil dieser Arbeiten war das „Entdunkeln“ der schon aufgestellten Signale (Entfernen der weißen Kreuze und Verhüllungen). Insgesamt drei Trupps mit Zweiwege-Baggern übernahmen diese Aufgabe. Das Umstellen der Weichen konnte dabei jeweils nur manuell an den Weichen direkt vorgenommen werden, da die Stellwerke ja funktionslos geschaltet waren.

Die Arbeiten beginnen. Alle alten Signale sind ausgeschaltet. Die neuen Signale leuchten bereits. Blick vom Stellwerk Of in Richtung Norden. Am Ausgang der Schinkelkurve startet bereits ein Bautrupp.
Foto: M. Beermann (14.10.2023)

Parallel zu den Signalarbeiten galt es die Weichenantriebe, die ja eben noch vom Stellwerk „Of“ aus angesteuert wurden auf das neue ESTW umzuklemmen. Auf dem elektronischen Stellwerk selbst begann nach Sperrung der Gleise auf der oberen Ebene der notwendige Softwarewechsel, der auch für die schon in Betrieb befindlichen Abschnitte nördlich und südlich von Osnabrück vorgenommen wurde.

Jeweils ab Sonntagnachmittag begann schließlich die finale Funktionsprüfung der neuen Stelleinheiten sowie entsprechende Probefahrten, die allesamt erfolgreich verliefen, so dass seit dem Morgen des 23.10.2023 erstmalig der vollständige Regelbetrieb am Osnabrücker Hauptbahnhof vom neuen ESTW gesteuert werden konnte.

Der Blick in die Zukunkt

Im nächsten Jahr werden mit den Bahnhöfen Wissingen, Osnabrück-Eversburg, Lotte und Velpe noch vier weitere Bahnhöfe an die „Mini-Bz Osnabrück“ angeschlossen, womit das Projekt ESTW-Osnabrück dann abgeschlossen sein wird.

Auch für die umfangreichen Stelltischelemente, Schaltgruppen und Relais wird es ein „Nachleben“ geben. Stelltafeln, Stellpulte, Baugruppen und Relais werden vollständig abgebaut und im Signalwerk Wuppertal für eine Nachnutzung wieder aufgearbeitet. Immerhin versehen bei der DB Netz AG noch rund 1.000 Relaisstellwerke ihren Dienst. Offen ist hingegen, welcher Zukunft der markante Stellwerksbau des „Of“ an Gleis 1 entgegen gehen wird.


Weitere Texte und Berichte zu den Osnabrücker Stellwerken

–> Das Stellwerk “Of” – Ein etwas “anderes” Interview über den Strukturwandel bei der Bundesbahn

-> Den Bahnbetrieb sicher durchführen – Die Entwicklungsgeschichte der Osnabrücker Stellwerke

–> Sound eines Lebens – Abschied vom Stellwerk Of (1/2)

-> Inbetriebnahme ESTW Osnabrück – Fahrplankonzepte während der Umschaltarbeiten


[1] Nach Inbetriebnahme der Ausbaustufen 5 und 6 im Jahr 2024
[2] Zwei Fahrdienstleiter steuerten den oberen Bahnhof, einer den unteren Bahnhof. Unterstützt wurden die drei Fahrdienstleiter je von einem Fahrdienstleiterhelfer, der auch für die Zugmeldungen zuständig war. Hinzu kamen ein Disponent und ein Ansager – insgesamt 8 Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen.
[3] bzw. nach 20.865 Tagen, 13 Stunden und 26 Minuten

Ein Kommentar

  1. Pingback: Zum Jahresausklang… – Eisenbahnkreuz Osnabrück

Schreibe einen Kommentar