Geschichte und Entwicklung der Stellwerke im Eisenbahnknoten Osnabrück
Die Stellwerks- und Signaltechnik ist Basis und Grundvoraussetzung für eine leistungsfähigen und sicheren Bahnbetrieb. Im Jahr 2016 begannen im Eisenbahnknoten Osnabrück umfangreiche Arbeiten zum Bau eines modernen elektronischen Stellwerks (ESTW). Schrittweise bis zum Jahr 2024 werden dann alle zugehörigen Teilabschnitte in Betrieb gegangen sein, so dass die Steuerung des Bahnbetriebes von Natrup-Hagen bis Lembruch (63 km) auf der Strecke Münster-Osnabrück-Bremen und von Wissingen bis Velpe (35 km) auf der Strecke Löhne-Osnabrück-Rheine, sowie bis zu den abzweigenden Strecken vom ESTW Osnabrück aus erfolgen wird. Das Stellwerksgebäude befindet sich im „Klus“ auf dem Gelände der ehemaligen Eilgüterzugbildung, gegenüber vom ehemaligen Bahnbetriebswagenwerk (Bw 2). Der Osnabrücker Rangierbahnhof wird zunächst örtlich besetzt bleiben und nicht in das ESTW Osnabrück integriert werden.
Mit der vollständigen Betriebsaufnahme des ESTW Osnabrück werdem insgesamt 16 mechanischen und Relaisstellwerken abgelöst. Das Zentralstellwerk „Of“ am Gleis 1 des Hauptbahnhofs, eines der größten Spurplanstellwerke in Deutschland, wurde in zwei Stufen am 14.10.2023 (oberer Bahnhofsteil) und am 21.10.2023 (unterer Bahnhofsteil) nach gut 67 Jahren Betriebszeit außer Dienst gestellt. Seit dem 23.10.2023 wird der gesamte Hauptbahnhof, einschließlich der Verbindungskurven, vom ESTW Osnabrück aus gesteuert. Analog zum Spurplanstellwerk „Of“ werden die beiden Ebenen des Hauptbahnhofs durch zwei technisch getrennte Stellwerke gestellt und aus einem gemeinsamen Bedienraum gesteuert.
In den zwei noch verbleibenden Ausbautufen werden mit den Bahnhöfen Wissingen, Os-Eversburg, Lotte und Velpe noch vier weitere Betriebsstellen an das ESTW angeschlossen werden. Die nachstehende Grafik gibt eine Übersicht über die alten und aktuellen Stellwerke im Stadtgebiet von Osnabrück:

Die Spurplanstellwerke
Die Spurplanstellwerke hielten in den 60er Jahren des letzen Jahrhunderts in Osnabrück Einzug und waren Bestandteil einer umfangreichen Modernisierungswelle der damaligen Deutschen Bundesbahn. Insgesamt investierte die Deutsche Bundesbahn seit Beginn der 1960er Jahre rund 70 Mio. DM in die Modernisierung der osnabrücker Signal- und Stellwerksanlagen.
Im Rangierbahnhof starteten ab 1962 erhebliche Umbauarbeiten. Drei moderne Spurplanstellwerke sollten die neun bestehenden mechanischen, elektromechanischen und Drucktastenstellwerke ablösen. Weiterhin wurde der Ablaufberg angehoben, um eine größere Ablaufzahl zu erreichen, und moderne Balkengleisbremsen installiert, die von dem neuen Ablaufstellwerk „Oro“ an der Schellenbergbrücke aus bedient werden sollten. Der Rangierbahnhof bestand fortan aus vier Bezirken:
– das Stellwerk „Oro“ steuert die Einfahrgruppe (Zugfahrten die aus/nach Richtung Löhne den Rangierbahnhof ansteuern/verlassen) sowie den Ablaufberg und das damit verbundene Ablaufgeschäft

– das Stellwerk „Ors“ ist ein von „Oro“ abhängiges Weichenwärterstellwerk, welches Ein- und Ausfahrten über die Münster- und Bremer Kurve steuert, des weiteren wird von hier auch ein kleiner, nachgeordneter Ablaufberg gesteuert
– das Stellwerk „Orn“ ist gleichermaßen ein abhängiges Wärterstellwerk. Von hier werden die Ein- und Ausfahrten vom unteren Personenbahnhof gesteuert, auch im Bezirk „Orn“ gibt es einen nachgeordneten Ablaufberg, der allerdings betrieblich nicht mehr genutzt wird (Stand 1999)
– das Wärterstellwerk „R1“ wurde bereits 1961 in der Bauform „Dr S 2“ fertiggestellt, es hieß zunächst Stellwerk „R3“. Von diesem Stellwerk erfolgte über einen kleinen Ablaufberg die Wagenverteilung in die Gleise der Güterabfertigung. Mit dem Ende der Güterabfertigung 1997 wurde auch das Stellwerk „R1“ aufgelassen
In Hörne war 1964 das neue Sp Dr S 60 Stellwerk „Oh“ betriebsbereit. Es sollte zunächst der Schulung dienen, da die zukünftigen osnabrücker Fahrdienstleiter diese neue Spurplantechnik ja erst kennen lernen mussten. Schon recht bald nach der Fertigstellung des „Of“ sollte der Betriebsbahnhof Hörne auch von dort ferngesteuert werden, was schließlich im Jahre 1969 realisiert wurde.
Auch der Bahnhof Eversburg bekam ab Mitte der 60er Jahre, am Standort des Wärterstellwerks „En“ ein neues Spurplanstellwerk, „Oe“, der Firma Siemens, welches 1968 drei mechanische Stellwerke ablöste. Während der Bauzeit wurde das Wärterstellwerk „En“ in einem Eisenbahnwagen untergebracht und das alte Stellwerksgebäude abgerissen. Für „Oe“ sahen die Planer ebenfalls eine Fernsteuerung vom Zentralstellwerk „Of“ vor, die aber erst Mitte der 90er Jahre umgesetzt wurde.
Am Morgen des 04.09.1966 nahm die Deutsche Bundesbahn, nach rund dreijähriger Bauzeit, ihr zweitgrößtes und modernstes Stellwerk, in der Zeit von 06.45 Uhr bis 11.00 Uhr, in Betrieb. Damit war auch der Plan gelungen, das Stellwerk „Of“ noch vor der Aufnahe des elektrischen Zugbetriebes zwischen Münster und Osnabrück in Betrieb zu nehmen.

Beeindruckend sind die technischen Daten der beiden größten osnabrücker Spurplanstellwerke:
Stellwerk „Of“ | Stellwerk „Oro“ | |
Bauform | Sp Dr S 60 | Sp Dr S 60 |
Bauzeit | 37 Monate | 18 Monate |
Haupt- & Vorsignale | 184 | 13 |
Sperrsignale | 276 | 51 |
Weichen | 320 | 75 |
Gleis-& Achszählkreise | 365 | 166 |
Kapazität | Ca. 600 Zugstraßen, Ca. 2000 Rangierstraßen | 34 Richtungsgleise, 3500 Wagen tgl., 4 Balkengleisbremsen |
Fahrdienstleiter pro Schicht | 3 & 2 Helfer | 1 & 1 Weichenwärter |
Stellwerke in Fernsteuerung | 3 | — |
Mit der Errichtung des Stw. „Of“ wurde der Bereich des Hauptbahnhofs in drei Fahrdienstleiterbezirke eingeteilt. Zwei Fahrdienstleiter waren für die Strecke von Münster nach Bremen zuständig, ein Fahrdienstleiter für die Strecke von Löhne nach Rheine. Die Schinkelkurve, bis dahin freie Strecke, wurde Bahnhofsteil und fiel in den Zuständigkeitsbereich des „Fdl Of-Süd“. Der Bahnhof Lüstringen verlor seine Eigenständigkeit. Das Wärterstellwerk „Lü“ wurde aufgelassen und in den Zuständigkeitsbereich des „Fdl Of-Unten“ überführt. Der „Fdl Of-Nord“ (dritte Bezirk) steuerte die Bereiche nördliche Klusgruppe, „Vorbahnhof“ sowie Ein- und Ausfahrten von und nach Bremen und auch den Bahnhof Belm.
In der ehemaligen Klusgruppe befand sich zudem ein kleines Ablaufstellwerk „Re“, welches bei Bedarf örtlich besetzt werden konnte. Es musste allerdings vom „Fdl Of-Nord“ freigegeben werden.
Die mechanischen und elektrofmechanischen Stellwerke
Bis zur Einführung der Drucktasten- und Spurplanstellwerke, Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre, die über sogenannte automatische Gleisfreimeldeanlagen verfügen, gab es bei der Eisenbahn nur mechanische und elektromechanische Stellwerke, bei denen es grundsätzlich erforderlich ist, dass Fahrdienstleiter und Weichenwärter die Fahrwege der Zug- und Rangierfahrten in ihrem Stellwerksbezirk durch eigenes Hinsehen auf Freisein prüfen, bevor eine Zug- oder Rangierfahrt zugelassen werden darf. Hinzu kommt, dass mit den mechanischen Stelleinrichtungen, Hebel, Drahtzüge und Gegengewichte, nur Entfernungen von ca. 500 Metern bei Weichen und 1200 bis 1800 Metern bei Signalen realisiert werden können.
Die begrenzten technischen Möglichkeiten machten folglich eine große Zahl Stellwerke erforderlich, um den Bereich des osnabrücker Hauptbahnhofes zu steuern, allein für den oberen und unteren Personenbahnhof wurden sieben Stellwerke benötigt. Im gesamten Stadtgebiet (einschließlich Rangierbahnhof) waren es derer 26. Bedingt durch die erheblichen Kriegszerstörungen mussten einige Stellwerke nach 1945 komplett neu aufgebaut werden, so dass sich gegen Ende der 40er Jahre Stellwerke verschiedenster Alter, Techniken und Bauarten in Osnabrück fanden.
„Ok“ (Osnabrück Klus) war das 1945 neu errichtete Fahrdienstleiterstellwerk, die für den Bau verwendeten Steine stammten von Häusern am Klushügel, die während des Krieges zerstört worden waren. Es handelte sich bei „Ok“ um ein elektromechanisches Befehlsstellwerk der Bauform E43. Befehlsstellwerk bedeutet, die hier arbeitenden Fahrdienstleiter erteilten den von „Ok“ abhängigen Weichenwärtern den Befehl, die Fahrstraße für einen sich nähernden Zug in ein bestimmtes Gleis zu legen. Alle Signale befinden sich unter Kontrolle der Fahrdienstleiter des Befehlsstellwerkes. Nur diese können das entsprechende Hauptsignal, welches der Weichenwärter bedient, freigeben, indem sie diesem „befehlen“, eine bestimmte Fahrstraße einzustellen. Zum Stellwerksbezirk des „Ok“ zählte der nördliche Pbf, die einmündende „Schinkelkurve“, sowie die einmündende „Kluskurve“.
Die Wärterstellwerke „Os“ und „Og“ waren im Süden, „Mt“ und „Nt“ im Norden von „Ok“ abhängig. Das Stellwerk „Os“, ein elektromechanisches Stellwerk von Siemens & Halske (S&H) der Bauform 1912, war in Jahre 1913 erbaut worden und für den Bereich südlicher Pbf und die „Bremer Kurve“ zuständig. Das mechanische Stellwerk „Og“, im Jahre 1914 in der Bauform „Jüdel“ gebaut, war für die Ein- und Ausfahrten aus der „Münsterkurve“ von und nach Hörne zuständig.
Zwischen der Gleisgruppe des „Vorbahnhofs“ und der „Klusgruppe“ lag das erst 1950 wieder hergestellte, elektromechanische E43-Stellwerk „Mt“. Die Einfahrten von Norden in den Hauptbahnhof, sowie die Ausfahrten Richtung Bremen stellte der Weichenwärter auf dem mechanischen Stellwerk „Nt“. Es war 1908 von der Fa. C. Stahmer aus Georgsmarienhütte gebaut worden.
Den Betrieb des unteren Personenbahnhofs wickelten die Bediensteten der Stellwerke „Ow“ und „Oo“ ab. Bei „Ow“ handelte es sich, wie bei „Ok“ um ein elektromechanisches Befehlsstellwerk der Bauform E43, welches erst 1947 fertiggestellt wurde. Das zugehörige, abhängige Wärterstellwerk „Oo“, am Ostkopf des unteren Personenbahnhofs gelegen, stammte von Siemens & Halske und war schon vor dem 1. Weltkrieg im Jahre1912 gebaut worden. Es handelte sich hier um ein elektromechanisches „S&H 1912“ Stellwerk.
Ein weiterer Fahrdienstleiter versah seinen Dienst auf „Vbn“ am „Abzweig Stahlwerkskurve“, dort wo sich die „Schinkelkurve“ in die „Löhnerkurve“ und die „Stahlwerkskurve“ verzweigt.
Hinzu kamen die Stellwerke im Rangierbahnhof und in den Bahnhöfen Lüstringen, Hörne, Eversburg und Belm, sowie die Blockstelle Hasetor.
Weitere Hintergründe zum Stellwerkt Of finden Sie auch in unserem „Interview“.
Die nachstehende Übersicht zeigt, welche „alten“ Stellwerke in den einzelnen Bahnhofsbezirken in neue Stellwerksbezirke überführt wurden:
Bahnhof o. Bahnhofsteil | Fdl | Wärter | Bauart | Baujahr | Ersatz durch |
Osn Hbf Po | ./. | Nt | Stahm | 1908 | Of, Fdl Bezirk Ofn |
Osn Hbf Po | ./. | Mt | E 43 | 1950 | Of, Fdl Bezirk Ofn |
Osn Hbf Po | Abzw Vbn | ./. | Einheit | 1947 | Of, Fdl Bezirk Ofs |
Osn Hbf Po | Ok | ./. | E 43 | 1945 | Of, Fdl Bezirk Ofs |
Osn Hbf Po | ./. | Og | Jüdel | 1914 | Of, Fdl Bezirk Ofs |
Osn Hbf Po | ./. | Os | S u. H 12 | 1913 | Of, Fdl Bezirk Ofs |
Osn Hbf Pu | Ow | ./. | E 43 | 1947 | Of, Fdl Bezirk Ofu |
Osn Hbf Pu | ./. | Oo | S u H. 12 | 1912 | Of, Fdl Bezirk Ofu |
Hasetor | BkSt | ./. | Einheit | 1953 | Of, Fdl Bezirk Ofu |
Lüstringen (Bahnhofsteil) | ./. | Lü | Einheit | 1934 | Of, Fdl Bezirk Ofu |
Eversburg | Ef | ./. | Einheit | 1935 | Oe |
Eversburg | ./. | En | Jüdel | 1935 | Oe |
Eversburg | ./. | Ew | Einheit | 1937 | Oe |
Belm Bbf | (Bf) | ./. | Dr S 2 | 1954 | Ob |
Hörne Bbf | Hf | ./. | S u. H 12 | 1921 | Oh |
Hörne Bbf | ./. | Ho | Jüdel | 1921 | Oh |
Osn Rbf | Ovf | ./. | Dr 1 | 1951 | Oro |
Osn Rbf | ./. | Ova | Dr 1 | 1950 | Oro |
Osn Rbf | ./. | Vbo | Jüdel | 1908 | Oro |
Osn Rbf | ./. | Ovn | E 43 | 1947 | Orn |
Osn Rbf | ./. | Ovl | E 43 | 1950 | Orn |
Osn Rbf | ./. | R 1 | Einheit | 1947 | Orn |
Osn Rbf | ./. | (R 3) | Dr S 2 | 1961 | R 1 |
Osn Rbf | ./. | Osv | AEG | 1913 | Ors |
Osn Rbf | ./. | R 2 | Einheit | 1946 | Ors |
Bw Os Hbf | ./. | Ob | Einheit | 1946 | eoW |
Bw Os Hbf | ./. | Ol | Z u. B | 1924 | eoW |
Bww (Wagenwerk) | ./. | ./. | ./. | ./. | Ow |
Bft. Klus | ./. | ./. | ./. | ./. | Re |
Abkürzungen:
Sp Dr S 60: Spurplan Drucktastenstellwerk der Fa. Siemens Bauform 1960
Dr S 2: Drucktastenstellwerk der Fa. Siemens Bauform 2
Dr 1: Drucktastenstellwerk der Bauform 1
E 43: Elektromechanisches Stellwerk der Bauform 1943
S u. H 12: Siemens & Halske Bauform 1912