Werk “Vorwerk” an der Mindener Straße

Für die kurzfristige Bereitstellung von Güterwagen wurde im Jahr 1938 mit dem Bau eines Wagenwerkes in dem Gleisdreieck zwischen der Hannoverschen Westbahn, der Löhner Kurve und der Stahlwerkskurve begonnen. Es trug den Namen „Vorwerk“. Der Aufbau des neuen Werkes wurde in vergleichsweiser kurzer Zeit durchgeführt, indem er als „staatspolitisch wichtiges Bauvorhaben“ eingestuft wurde. Um einem möglichen Hochwasserstand der Hase Rechnung zu tragen, mussten Teile des Geländes durch Aufschüttung nutzbar gemacht werden[1]. Die Anbindung des neuen Werkes erfolgte zunächst zweigleisig aus Richtung Lüstringen am Abzweig der „Löhner Kurve“ und aus westlicher Richtung über das Verbindungsgleis zur „Stahlwerkskurve“[2].

Zufahrtsbereich von der Mindener Straße zum “Vorwerk”. Im November 2002 war das Werk noch voll in Betrieb. Die Aufnahme stammt von M. Beermann

Im „Vorwerk“ wurden auch vorbereitende Arbeiten, wie das Entrosten der Güterwagen vorgenommen, bevor diese zur Aufarbeitung bzw. Instandsetzung ins Ausbesserungswerk (AW) an der Schinkelstraße überführt wurden[3]. Nach dem 2. Weltkrieg verarbeitet die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Werk gelegene Firma Richter die in den Osnabrücker Betriebswerken reichlich anfallende Schlacke zu Schlackensteinen weiter[4]. Die Zustellung der Schlacke sowie die Abholung der fertigen Erzeugnisse übernahm die Kleinlok des „Vorwerks“.

Organisatorisch wurde das Werk allerdings erst im Jahr 1955 dem AW als Außenstelle angegliedert, bevor es nach dessen Schließung ab 1961 eine Abteilung des Bahnbetriebswagenwerks (Bww) wurde. Im Jahr darauf verlegte man die Güterwagen-schnellausbesserung von der „Hasehalle“ an die Mindener Straße. Der Standort in unmittelbarer Nähe des Bw Rbf wurde geschlossen[5]. Die Zuordnung des Vorwerks blieb auch nach der Umbenennung des „Bww“ in „BW Osnabrück 2“ bis zum Ende der Bundesbahn bestehen.

Herzstück des Werkes war eine 60m x 27m große Werkstatthalle mit vier durchgängigen Arbeitsgleisen (Gleise 5 – 8). Gleis 5 war mit einer Hebebockanlage ausgestattet, alle vier Gleise verfügten über die erforderlichen Arbeitsgruben. Südlich der Halle befanden sich vier weitere Gleise. Auf Gleis 1 sammelte man die instandgesetzten Wagen zur Abholung und in den Gleisen 2 und 3 wurden schadhafte Wagen zugestellt. Das Gleis 4 diente der Umfahrung.

Gleisplan der Anlagen des “Vorwerks” aus dem Jahr 1966 – die Anlage blieb bis zur Aufgabe des Standortes weitgehend unverändert. Auch das Anschlussgleis der Fa. Richter ist auf der rechten Seiten des Planes zu erkennen.

Ein nördliches Umfahrungsgleis ermöglichte ebenfalls die beidseitige Befahrung aller acht Behandlungsgleise. Schadhafte Güterwagen wurden im Rangierbahnhof in einem eigens dafür vorgesehenen Gleis gesammelt. Die Überführung zum Vorwerk erfolgte über den Bahnhofsteil Lüstringen als Rangierfahrt. In unmittelbarer Nähe der Werkshalle waren die notwendigen Lagergebäude und Plätze für Arbeitsmittel, Ersatzteile, Tauschteile und Werkstoffe. Eine Achssenke an der Westseite der Halle in Gleis 8 ermöglichte den Tausch Radsätze an Güter- und Reisezugwagen[6].

Im Werk wurden sämtliche erforderlichen Ausbesserungen an Güterwagen vorgenommen, so dass eine zeitaufwändige Überführung in Ausbesserungswerke entfallen konnte. Neben den Güterwagen der DB wurden auch diejenigen privater Eisenbahnunternehmen und fremder Bahnverwaltungen im Werk ausgebessert. In den 1970er, 80er und 90er Jahren lag die Kapazität und Instandsetzungsleistung des Werkes bei rund 100 Güterwagen pro Tag[7].

Mitte der 1980er Jahre setzte die Bundesbahn im Werk an der Mindener Straße vier Werkmeister und 42 Arbeiter ein. Dabei war jeder Werkmeister mit den ihm unterstellten Arbeitern für eines der vier Arbeitsgleis (Gleise 5 – 8) in der Werkhalle verantwortlich. Hierzu zählten jeweils E-Schweißer, Bremsschlosser, Tischler, Brennschneider und Handwerker. Für die Achssenke war darüber hinaus ein Gruppenführer mit zwei Handwerkern zuständig[8].

Mitte der 1980er Jahre herrschte noch Hochbetrieb im Vorwerk. Hier befindet sich ein Schüttgutwagen auf Gleis 6 auf der Ostseite der Werkshalle. Foto aus: 130 Jahre Eisenbahn in Osnabrück

Den werksinternen Verschub der Güterwagen übernahm eine Kleinlok der BR 335 (Köf III), die auch an der Mindener Straße stationiert war und in der Werkshalle abgestellt wurde.

Mit der Bahnreform zum 01.01.1994 erfolgte auch für das Vorwerk eine organisatorische Neuzuordnung, zunächst zum Geschäftsbereich „Traktion und Werke“, zum 01.01.1998 übernahm die Konzerntochter DB Cargo AG die Zuständigkeit für das Werk.

Seit den 1990er Jahren entwickelte sich der Schienengüterverkehr zunehmend rückläufig, insb. der Einzelwagenverkehr war von dieser Entwicklung betroffen. Auch in den Werken bekam man dies zu spüren und so sank die Zahl der täglich ausgebesserten Wagen bis Ende des Jahrzehnts auf unter 50. Hiermit eingehend wurden auch immer weniger Mitarbeiter benötigt, so dass die Kopfzahl im selben Zeitraum auf rund 25 sank. In der Folge benötigte man das Arbeitsgleis 958 nicht mehr. Schwerpunktmäßig erfolgte die Instandsetzung von Güterwagen der Gattung „Ea“, die zur Beförderung von witterungsunabhängigen Schüttgütern genutzt wurden. Aber auch Wagen der Gattung „Fc“ oder „Td“ waren zur Jahrtausendwende im Vorwerk anzutreffen. Darüber hinaus fand auch weiterhin der Tausch von Drehgestellen an Reisezugwagen, jetzt im Auftrag der DB Regio AG, statt.

Im April 2000 sind die westlichen Gleise der Werkanlage noch ganz gut frequentiert. Ganz links im Bild ist die “Stahlwerkskurve” zu sehen, im Vordergrund verläuft die “Hannoversche Westbahn”. Foto: M. Beermann

Weitere Rückläufe im schienengebundenen Güterverkehr zogen weitere Anpassungen bei den Werken nach sich, die sich nicht nur im Wagen- sondern auch im Lokomotivbereich niederschlugen. Bis Mitte der 2000er Jahre sank die tägliche Ausbesserungsrate im Werk auf rund 30 Wagen. Da auch bei der Lokomotivinstandsetzung an der Bremer Straße weniger Kapazitäten benötigt wurden, erfolgte zum Januar 2006 der Umzug der Güterwageninstandsetzung in die ehemalige Lokhalle A des Bw Hbf an die Bremer Straße. Einhergehend hiermit war die Aufgabe des Standortes an der Mindener Straße[9]


[1] vgl. Hülsmann (1982), S. 89 und Deutsche Bundesbahn (1991), S. 42
[2] vgl. Lageplan Osnabrück Gbf (1941)
[3] vgl. Behrens (2009), S. 54
[4] vgl. Hülsmann (1982), S. 89
[5] vgl. Behrens (2009), S. 55
[6] vgl. Deutsche Bundesbahn (1991), S. 47
[7] ebenda
[8] vgl. Deutsche Bundesbahn (1991), S. 52
[9] vgl. Riepelmeier (2014b), S. 67 und Koverman/Kristand (2010), S. 41 sowie Behrens (2009), S. 55

Stand des Textes: 26.09.2022

Ein Kommentar

  1. Pingback: osnabahn.de » Blog Archiv » Das “Vorwerk”

Schreibe einen Kommentar